Mitleid mit dem Narzissten?

Wenn wir das Wort “Mitleid” hören, denken viele an Mitgefühl, Empathie und Menschlichkeit. Schließlich gehört es doch zum “guten Ton”, Menschen in Not zu helfen, oder? Doch was passiert, wenn derjenige, der dein Mitleid einfordert, ein Narzisst ist? Ist es dann genauso ehrenhaft, zu helfen? Oder bringt dich genau dieses Mitleid in Gefahr?

Die Antwort darauf mag dich überraschen – oder vielleicht auch nicht, wenn du selbst schon einmal mit einem Narzissten zu tun hattest. Denn Mitleid mit einem Narzissten zu haben, ist in etwa so, als würdest du versuchen, einen Eimer ohne Boden mit Wasser zu füllen. Du gibst und gibst – aber am Ende ist alles weg.


Warum fordern Narzissten Mitleid ein?

Narzissten sind Meister der Inszenierung. Nach außen wirken sie oft stark, selbstsicher und unangreifbar. Doch wenn sie die Kontrolle verlieren oder die Gefahr besteht, dass jemand ihre wahre Natur durchschaut, schalten sie blitzschnell in den “Opfermodus”. Plötzlich ist ER derjenige, der missverstanden wird, dem Unrecht getan wurde, der leidet.

Du hörst dann Sätze wie:

  • “Niemand versteht mich.”
  • “Ich habe so viel für dich getan, und das ist der Dank?”
  • “Alle sind gegen mich!”

Warum tun sie das? Ganz einfach: Sie wollen deine Aufmerksamkeit, deine Energie – und dein Mitleid. Denn Mitleid bedeutet, dass du wieder in ihre Welt einsteigst, dich wieder um sie drehst, ihnen wieder “Nachschub” lieferst. Das Problem ist, dass dieser Nachschub nie ausreicht. Egal, wie viel Zeit, Energie oder Liebe du gibst – es reicht nie.


Warum Mitleid mit einem Narzissten gefährlich ist

Wenn du mit einem Narzissten Mitleid hast, dann passiert Folgendes: Du gehst zurück in die Position des “Retters”. Du denkst vielleicht: “Wenn ich ihm jetzt zeige, dass ich ihn verstehe, dann ändert er sich vielleicht.” Aber hier ist die harte Wahrheit: Narzissten ändern sich nicht, weil sie sich ändern wollen, sondern nur, wenn sie müssen – und das auch nur selten.

Das Mitleid bringt dich also in eine aktive Rolle – du fängst an zu helfen, zu retten, zu erklären. Aber während du noch glaubst, Gutes zu tun, sitzt der Narzisst schon längst mit verschränkten Armen da und genießt die Show. Und wenn du ihm dann irgendwann sagst, dass du dich überfordert fühlst, was kommt dann? Genau: “Ach, jetzt machst du also einen auf Opfer? Ich dachte, du wärst stark.”

Das Gefährlichste an Mitleid mit einem Narzissten ist, dass du dich selbst dabei vergisst. Du bist so sehr darauf fokussiert, ihm zu helfen, dass du nicht bemerkst, wie du dabei ausbrennst. Deine Energie schwindet, deine Gedanken drehen sich nur noch um seine Probleme, seine Gefühle, seine Dramen – und wo bleibst du? Richtig: Hinter ihm.


Beispiel 1 – Die “arme Seele”-Masche

Stell dir vor, du bist in einer Beziehung mit einem Narzissten. Anfangs ist alles himmelblau, die große Liebe, Seelenverwandtschaft, das volle Programm. Irgendwann merkst du, dass er dich ausnutzt, emotional manipuliert und dich klein macht. Du fängst an, dich zu wehren – und plötzlich ändert er die Taktik. Er erzählt dir von seiner schweren Kindheit, von dem Vater, der ihn nie geliebt hat, von der Mutter, die ihn immer kritisiert hat. Du hörst zu, dein Herz wird weich, und du denkst: “Ach, deshalb ist er so, wie er ist. Ich kann ihn doch jetzt nicht im Stich lassen!”

Was passiert? Du bleibst. Und er? Er macht weiter. Warum? Weil er genau das wollte. Er hat die “arme Seele”-Masche gespielt – und sie hat funktioniert.


Beispiel 2 – Der “gescheiterte Held”

Ein anderes Szenario: Dein Chef, ein typischer grandioser Narzisst, verliert einen wichtigen Kunden. Zuerst macht er dich oder das Team verantwortlich. Aber dann, wenn er merkt, dass die Schuld nicht auf andere abgewälzt werden kann, spielt er die “gescheiterte Held”-Karte. Plötzlich steht er mit hängenden Schultern vor dir und sagt: “Ich habe mir den A**** aufgerissen, ich habe alles versucht, aber anscheinend reicht das nie aus. Vielleicht bin ich einfach nicht gut genug.”

Und was tust du? Du fängst an, ihn zu trösten. “Ach Chef, das ist doch nicht wahr, wir stehen hinter Ihnen!” – Zack, Falle zugeschnappt. Plötzlich bist du es, der ihn wieder aufbaut, der Überstunden macht, um den nächsten Kunden zu retten – und er? Er sitzt wieder auf dem Thron und beobachtet von oben, wie die kleinen Rädchen für ihn arbeiten.


Mitleid ist nicht dasselbe wie Mitgefühl

Hier liegt ein entscheidender Unterschied. Mitgefühl bedeutet, die Gefühle des anderen zu verstehen, ohne selbst mit hineingezogen zu werden. Du erkennst, dass jemand leidet, aber du bleibst bei dir. Mitleid hingegen reißt dich mit. Du gehst mit dem anderen in seinen Schmerz hinein – und plötzlich leidest du mit.

Und hier ist der Clou: Ein Narzisst will nicht dein Mitgefühl – er will dein Mitleid. Er will, dass du mitleidest, weil er dich dann wieder steuern kann. Ein Mensch mit echtem Schmerz braucht dein Mitgefühl. Ein Narzisst braucht dein Mitleid, um Kontrolle zu bekommen.


Wie kannst du dich schützen?

  1. Erkenne das Spiel: Wenn jemand ständig die Opferrolle spielt und dir Schuldgefühle einredet, halte inne. Frage dich: “Will er, dass ich MIT ihm fühle, oder will er, dass ich sein Problem löse?”
  2. Behalte die Kontrolle über deine Emotionen: Narzissten lieben es, dich aus der Fassung zu bringen, denn dann bist du leichter zu manipulieren. Wenn du merkst, dass dein Mitleid geweckt wird, tritt einen Schritt zurück.
  3. Bleib in der Beobachterrolle: Sei ein stiller Beobachter. Schau, was der Narzisst tut, wenn er merkt, dass sein Opfer-Drama nicht greift. Meistens ändert er die Strategie – und allein das zeigt dir, dass es nie um echte Gefühle ging.
  4. Stelle Grenzen auf: Wenn er anfängt, dir sein Leid zu klagen, frag ihn freundlich: “Und was wirst du jetzt tun, um das zu ändern?” Meistens kommt dann entweder Schweigen – oder er wird aggressiv. Beides zeigt dir, dass es nicht um Lösungssuche ging, sondern um Kontrolle.

Fazit: Lass dich nicht einlullen

Mitleid mit einem Narzissten zu haben, ist ein Ticket in die Erschöpfung. Du wirst ihm nie genug geben können, weil er dieses “genug” nicht kennt. Er wird immer mehr fordern, immer mehr jammern, immer mehr Dramen inszenieren.

Der einzige Weg, dich zu schützen, ist zu verstehen, dass du keinen Menschen retten kannst, der nicht gerettet werden will. Narzissten wollen keine Hilfe – sie wollen Bewunderung, Aufmerksamkeit und Kontrolle. Lass dich nicht in die Rolle des Retters drängen. Du hast Besseres zu tun, als einen Bodenlosen zu füllen.

Und wenn dich das nächste Mal jemand mit großen Augen ansieht und sagt: “Ich weiß auch nicht, warum mir immer so viel Unrecht geschieht”, dann denk daran: Manchmal ist es klüger, keine Hand zu reichen – vor allem nicht, wenn die Hand nur nach deiner Energie greift.

Du bist nicht herzlos, wenn du NEIN sagst. Du bist klug.

Wenn du dich von der Dynamik mit einem Narzissten lösen möchtest oder merkst, dass du immer wieder in die Falle des Mitleids tappst, hol dir Unterstützung. Du musst das nicht allein durchstehen. Wenn du jemanden brauchst, der dich begleitet, schau auf meine Webseite vorbei und finde heraus, wie du dich aus dieser Endlosschleife befreist. Dein Frieden ist wichtiger als sein Drama.

Buche dein Erstgespräch und finde heraus, wie du den Ausstieg aus der Spirale des Mitleids schaffst. Du hast die Wahl, dich selbst zu retten – und du bist es wert.

Kleist Coaching

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